Warum uns Wald gut tut

Uns allen tut der Aufenthalt im Wald merklich gut – aber warum fühlen wir uns im Wald so wohl? Einige der Gründe für unser Wohlbefinden sind offensichtlich; im Wald ist es ruhig und weniger heiss als in der Stadt. Der Gesang der Vögel macht uns zufrieden und das viele Grün, die reizarme Umgebung, beruhigt. Die Luft ist frisch – sie enthält etwa 90% weniger Staubteilchen als Luft in der Stadt – und das Gehen auf den unebenen Wegen vitalisiert den Bewegungsapparat unseres Körpers.

All diese Aspekte sind nicht zu unterschätzen. So sind etwa 20% der Schweizer Bevölkerung permanent zu hoher Lärmbelastung ausgesetzt. Lärm bedeutet für den Körper Stress und chronischer Stress macht krank. Wie wohltuend ist es da, den Strassenlärm hinter sich zu lassen und in die grünen Oasen mit ihren organischen Geräuschen und Gesängen einzutauchen.
Dazu tief ein- und ausatmen und die frische, kühle Luft in unsere Lungen strömen lassen. Die Bäume um uns sind Wundermaschinen die uns die Luft zum Leben tagtäglich neu aufbereiten. Eine hundertjährige Buche produziert ca. 4’600 kg Sauerstoff pro Jahr. Das ist so viel wie eine erwachsene Person 13 Jahre lang zum Leben braucht.
Wälder sind Sinnesräume, kleine Auszeiten von unserem Alltag. Schon bei einem Aufenthalt von 30 Minuten in der Natur, speziell aber in einer Waldlandschaft, sinken Herzfrequenz und Blutdruck messbar. Wir atmen tiefer und die Stresshormonkonzentration in unserem Blut nimmt ab. Das Gefühl der Entspannung und Erholung ist also durchaus mehr als nur ein Gefühl; es ist messbar und wissenschaftlich belegt.

Und das ist noch nicht alles. Bäume produzieren Duftstoffe, sogenannte Terpene, die positive Auswirkungen bis zu unseren Zellen haben. Menschen, die für eine Studie über Nacht mit Terpenen angereicherte Luft atmeten, hatten am Morgen eine höhere Anzahl Killerzellen im Blut als Menschen in der Kontrollgruppe ohne angereicherte Luft. Die chemischen Stoffe, die Bäume abgeben, stärken also unser Immunsystem. Bis vor Kurzem dachte man, nur Nadelbäume mit ihrem intensiven Harzgeruch würden Terpene ausströmen, Forschungen haben aber ergeben, dass auch Laubbäume dazu in der Lage sind.
Für die Pflanze spielen Terpene eine wichtige Rolle bei der Modulation zellulärer Funktionen und im Miteinander mit anderen Lebewesen. Bäume kommunizieren mit Terpenen, sie sprechen Terpenisch. 

Sagen wir, ein Baum wird von Schädlingen befallen. Darauf sendet er Terpene aus um die anderen Bäume vor dem Fressfeind zu warnen. Diese Bäume produzieren dann ebenfalls Terpene, aber solche, die sie für genau den Fressfeind, der den ersten Baum befallen hat, ungeniessbar machen. Zusätzlich sendet der befallene Baum Botenstoffe an Vögeln aus, damit diese sich an der neuen Nahrungsquelle gütlich tun können und somit den Baum vom Insektenbefall befreien.
Ihrer antibakteriellen Eigenschaften wegen stossen die, in Harzen und ätherischen Ölen enthaltenen Terpene schon seit längerer Zeit auf pharmakologisches Interesse und auch im Zusammenhang mit Virusinfektionen wird an Terpenen geforscht. Und schliesslich finden Terpene auch als Geruchs- oder Geschmacksstoffe in Parfümen und kosmetischen Produkten verwendung.

Der intensive Regenduft der bei Schauer vom Boden aufsteigt ist übrigens kein Terpen sondern wird als Petrichor bezeichnet. Das Wort kommt aus dem Altgriechischen und und bedeutet so viel wie Stein (pÈtros) und Blut der Götter (ichor). Der Geruch besteht vor allem aus zwei Hauptzutaten: Geosmin, ein alkoholischer Stoff der von Bakterien im Boden produziert wird – der riecht erdig – und ein Öl, das Pflanzen absondern, wenn es trocken ist. Die meisten Menschen mögen diesen Geruch und wir sollen auch unglaublich gut darin sein, ihn zu erschnuppern. Das verwundert nicht, waren wir doch über Jahrtausende darauf angewiesen, Wasser zu finden. Petrichor war ein untrügerisches Zeichen von Wasservorkommen und darum für uns überlebenswichtig. Obwohl wir heute unseren Durst an jedem Wasserhahn stillen können, sind unsere Nasen noch für diesen lebenswichtigen Zeigerduft geschult. In unseren Stammhirnen heisst dieser Geruch Leben und tatsächlich kann ich mir kaum einen belebenderen Geruch als Petrichor vorstellen.

Aber auch wenn kein Regen fällt, erfrischt uns ein Bad im Wald tiefgreifend:
Unser vegetatives Nervensystem ist stetig dabei, unseren Organismus zu regulieren und passt sich laufend an alle, sowohl intrinsischen als auch extrinsischen, Veränderungen an. Sein Ziel ist die innere Ausgeglichenheit zum Wohle von Körper und Geist – also uns.

Es verfügt über zwei Hauptakteure; den Sympathikus und den Parasympathikus. Diesen zwei Polen desselben Systems fallen unterschiedliche Aufgaben zu:
Der Sympathikus ist hauptsächlich für Aktivität und Stimulierung des Körpers zuständig. Er wird aktiv wenn Gefahr droht und wir aufmerksam und konzentriert sein sollen. Er ist auf Aktion, Belastung, Kampf und Flucht programmiert und ist in unserer reizüberfluteten Zeit oft etwas überstrapaziert, was wir als Stress wahrnehmen.
Der Parasymphatikus seinerseits hilft uns Energie zu speichern und uns aufzubauen. Er ist auf unsere Regeneration und Erholung ausgerichtet. Ist er aktiv, können wir entspannen, abschalten und loslassen. Wenn er aber den Lead übernimmt, fühlen wir uns antriebslos und matt und kommen nicht in die Gänge…

Dank den positiven Aspekten, die der Aufenthalt im Wald mit sich bringt, ist er der ideale Ort um unser Nervensystem in Balance zu bringen. Und wenn wir zusätzlich das Glück haben und in diesem wunderbaren Lebensraum achtsame Erfahrungen machen, werden wir erfahren, dass wir unsere Nerven aktiv regulieren können. 

Darum fühlen wir uns im Wald so wohl.